WIE ALLES BEGANN - DIE SIEBZIGER JAHRE

Am Anfang? Da steht ein Kiosk am Bahnhof von Prien am Chiemsee. Den übernimmt am 1. Januar 1971 das Ehepaar Marie-Luise und Peter Ganter vom Vorbesitzer. In der gut 80 Kilometer entfernten Landeshauptstadt, wo im Oktober desselben Jahres das Münchner U-Bahn-Netz und zwei Monate später die erste deutsche McDonalds-Filiale eröffnet werden, führt Ministerpräsident Alfons Goppel die Geschäfte des Freistaats Bayern. Der Bundeskanzler in Bonn heißt Willy Brandt.

Den Zeitungen und Zeitschriften, die die Ganters neben Süßigkeiten und Tabak in ihrem neu erworbenen Bahnhofskiosk verkaufen, können 61,5 Millionen Bundesbürger entnehmen, dass Verteidigungsminister Helmut Schmidt die langhaarigen Rekruten der Bundeswehr mit Haarnetzen ausrüsten wird, dass in der „DDR“, die immer in Anführungszeichen geschrieben wird, der neue Staatsratsvorsitzende Erich Honecker das Sagen hat, und dass Friedensaktivisten im kanadischen Vancouver eine Organisation namens Greenpeace gegründet haben.

Der Verkaufspreis der Bild-Zeitung ist im letzten Jahr auf 20 Pfennig gestiegen. Bei dieser Gelegenheit haben sich die Pressegrossisten, die auch das Ehepaar Ganter mit Zeitungen und Zeitschriften beliefern, eine Nettospanne von 15,93 Prozent erhandelt. Der Kiosk ist derweil an sieben Tagen in der Woche von 6.00 Uhr in der Früh bis um 22.00 Uhr am Abend geöffnet. Im ersten Jahr ist an Personal nicht zu denken. Die zukünftigen Großeltern von Thomas, der 1972, Michael, der 1974, und Peter Ganter, der 1978 geboren wird, helfen einmal in der Woche aus. Die fälligen Remissionen bearbeiten sie in ihrer Garage.

 

 

KEIMZELLE KIOSK

1972, mit der Geburt des ersten Sohnes, stellen Marie-Luise und Peter Ganter ihre erste Mitarbeiterin ein. Zwei Jahre später, als erstmals größere Umbauten anstehen, werden die Zeitungen und Zeitschriften von Tabak und Süßwaren räumlich getrennt – eine Vorgabe der Tabakindustrie. Die drei Ganter-Söhne wachsen von frühester Jugend an in dem von den Eltern geprägten Buch- und Presseumfeld auf. Von der Pieke auf lernen sie Kunden, Produkte und Lieferanten, sowie Aufgaben, Rechte und Pflichten des Bahnhofsbuchhändlers kennen und schätzen.

Der elterliche Kiosk? Das ist die Keimzelle des Unternehmens – und Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Die früh gewonnene Erfahrung, dass Beruf und Berufung eine Einheit bilden können, und sich persönlicher Einsatz und permanentes Engagement lohnen, ist die Grundvoraussetzung für den verantwortungsvollen, unabhängigen und modernen Bahnhofsbuchhandel, der auch 40 Jahre später das Familienunternehmen Ganter Presse & Buch GmbH prägen wird.



DIE BAHNHOFSBUCHHANDLUNG GANTER

Dafür muss aber zunächst offiziell der Status des Bahnhofsbuchhändlers erworben werden. Dazu gehört nicht nur der Umbau der bisherigen Fläche in ein begehbares Ladenlokal im Jahr 1983. Denn der Bahnhofsbuchhandel nimmt als gesonderte Vertriebssparte für den Einzelverkauf von Presseerzeugnissen einen Sonderstatus ein: Er wird statt von Pressegrossisten von Presseverlagen direkt beliefert, muss dafür aber auch bestimmte, rechtlich eindeutig definierte Kriterien erfüllen.

So muss eine Bahnhofsbuchhandlung an sämtlichen Tagen des Jahres geöffnet sein. Betriebsferien und Schließungen an Feiertagen sind ausgeschlossen. Die Öffnungszeiten werden vom Vermieter – der Deutschen Bahn AG – festgesetzt und betragen in der Regel mindestens 100 Stunden pro Woche. Eine Bahnhofsbuchhandlung muss sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig als Verkaufsstelle mit Schwerpunkt Presseerzeugnisse darstellen, und die Angebotsfläche für das Presse- und Buch-Sortiment muss mindestens 70% der gesamten Fläche betragen. Der Charakter dieser Presse-Fachverkaufsstelle darf durch Beisortimente wie Tabak und Süßwaren nicht beeinträchtigt werden.

Jede Bahnhofsbuchhandlung muss ein verkäufliches Zeitungs- und Zeitschriften-Vollsortiment führen – mindestens 1.000 sichtbar im Angebot befindliche Titel. Eine Zahl, die von fast allen Bahnhofsbuchhandlungen mehrfach überboten wird. Wesentliche Teile am Gesamt-Umsatz müssen aus dem Verkauf von Presseerzeugnissen resultieren. Außerdem müssen Bahnhofsbuchhandlungen zeitgemäße, verkaufsgerechte Ladeneinrichtungen gewährleisten, um die Präsentation des Pressesortiments über den Angebotszeitraum sicherzustellen.

 

VOM WARENWIRTSCHAFTSSYSTEM ZU GANTER PRESSE UND BUCH GMBH

Die Erfüllung dieser Kriterien, die Ausweitung des Sortiments, die Erweiterung des Angebots, die Vergrößerung der Ladenfläche und die Hinwendung zu mehr Kundenorientierung führt in der Bahnhofsbuchhandlung Ganter in Prien ab Anfang der 80er Jahre zu deutlich erkennbaren Umsatzsteigerungen. Ganter Presse & Buch wird von der Deutschen Bahn als Bahnhofsbuchhandlung mit der stärksten Umsatzsteigerung in der Region lobend hervorgehoben.

In der Folge wird weiteres Personal eingestellt und im Jahr 1989 die Verkaufsfläche abermals vergrößert. Auf die Implementierung eines ersten Warenwirtschaftssystems folgen 1994 und 1996 weitere Eingliederungen von Büroflächen zur Ladenfläche, die Verlagerung von Verwaltungsflächen ins 1. Obergeschoss, sowie als echtes Ganter-Eigengewächs die erfolgreiche Einführung des in Eigenregie entwickelten Warenwirtschaftssystems „Prometheus“.

 

DAS FAMILIENUNTERNEHMEN GANTER -
MIT NEUEN FILIALEN AUF ERFOLGSKURS

Auf die Gründung der Firma Ganter im Jahr 1971 folgt am 1. September 2000 die Gründung der Ganter Presse & Buch GmbH. Zwischen 2002 und 2009 wird der Stammsitz im Bahnhof Prien weiter umgebaut. Am 1. April 2006 eröffnet Ganter Presse & Buch seine erste Filiale im acht Kilometer vor Prien gelegenen Bad Endorf. Am 1. Juni 2010 folgt eine zweite Ganter-Filiale im bayrischen Freilassing, nur wenige Zug- und Autominuten von Salzburg und der deutsch-österreichischen Grenze entfernt. 

Im Frühjahr 2012 öffnet nach einem Komplettumbau die neue Ganter-Filiale in Berchtesgaden ihre Türen – rund 70 km von Prien und 25 km von Freilassing entfernt. Der auch architektonisch sehr gelungene Umbau stellte eine besondere Herausforderung dar: Damit die alten, wunderschönen Freskenmalereien in der Bahnhofshalle, die Maria Harrich zu Beginn der 50er Jahre des letzten Jahrhundert schuf, von allen Seiten einsehbar bleiben und nicht von der Architektur verdeckt werden, besteht der gesamte Korpus der Buchhandlung komplett aus Glas und Stahl.



Die neueste Ganter-Filiale ist nicht nur geografisch ein großer Schritt in der Firmengeschichte: Seit dem 1. Januar 2014 verfügt auch Garmisch-Partenkirchen, rund 135 km vom Priener Stammhaus entfernt, über eine Bahnhofsbuchhandlung, auf der das bekannte Logo aus Prien prangt. Damit die regionale Buchhandels-Marke an diesem neuen Standort nicht nur durch die Sortimentsgestaltung und die Kundenansprache, sondern auch durch den Ladenbau und das Ambiente eindeutig identifizierbar wird, soll die Garmischer Filiale im Jahr 2018 auf den allerneuesten Stand gebracht werden. Hier ist nicht nur die notwendige Vergrößerung der Verkaufsfläche angedacht, sondern auch die innenarchitektonische Umgestaltung im Hinblick auf ein unverwechselbares Corporate Design, um die Corporate Identity aller Ganter Buchhandlungen auch an diesem prominenten Standort erlebbar zu machen. Ergänzend zu Ihrem fünften Standort in Garmisch-Partenkirchen, eröffneten Ganters zu Beginn des Jahres 2016 nach einer Komplettsanierung in Weilheim ihre sechste Filiale.

Seit dem 1. September 2009 wird die Ganter Presse & Buch GmbH von den Brüdern Michael und Peter Ganter als alleinige Gesellschafter geführt. Ihre ebenso wohlüberlegte wie mutige Expansion in die Region – und mit Garmisch-Partenkirchen fast schon darüber hinaus – macht gerade in wirtschaftlich schwierigen, von Verdrängungswettbewerb und Konzentration im Presse- und Buchhandel geprägten Zeiten deutlich, dass und wie es ein innovatives Familienunternehmen immer wieder versteht, seine Weichen so zu stellen, dass es weiterhin mit großem Einsatz, persönlichem Engagement und gesundem Ehrgeiz auf einem in die Zukunft führenden Gleis sicher unterwegs ist.